Gusti Steiner
1974 organisierte Gusti Steiner mit dem Publizisten Ernst Klee zusammen für behinderte Menschen einen Kurs zur „Bewältigung der Umwelt“ an der Volkshochschule in Frankfurt/Main, der zu einer Art Startschuss für die Behindertenbewegung wurde. 1981 war der bei der Diakonie angestellte Sozialarbeiter Steiner einer der Sprecher eines bundesweiten Zusammenschlusses von Initiativen und Einzelpersonen, die im „UNO-Jahr der Behinderten“ auf die unbefriedigende Situation in Deutschland hinwiesen. Höhepunkte: Die „Bühnenbesetzung“ zur Eröffnung der geplanten Feiern in der Dortmunder Westfalenhalle und das „Krüppeltribunal“ am Ende des Jahres, in dem die Missstände im deutschen Gesundheits-, Sozial- und Rechtssystem als „Menschenrechtsverletzungen an Behinderten“ bezeichnet wurden.
August „Gusti“ Steiner (* 21. 5. 38) lebt mit seiner Ehefrau in Dortmund und wird in diesem Jahr in Rente gehen (gegen eine vorzeitige Verrentung hatte er sich erfolgreich gewehrt). Nach wie vor hält er Vorlesungen vor Studierenden der Sozialpädagogik und arbeitet als Publizist (hunderte Zeitschriftenartikel, einige Bücher), im Moment unter anderem an einem „Schwarzbuch Deutsche Bahn“. Er wurde mit Muskeldystrophie geboren und ist seit langem auf den Elektrorollstuhl und Assistenz angewiesen.
1956 beendete Gusti Steiner die Schule mit der „Mittleren Reife“, fand aber wegen seiner Behinderung keine Lehrstelle. Bis zum Tod seiner Mutter 1972 lebte er bei ihr, um dann eine rasante Entwicklung durchzumachen: Eigener Rollstuhl, eigene Wohnung, Studium der Sozialarbeit (1974-77 in Heidelberg). Steiners langjährige Arbeit in Dortmund ist eine Mischung aus Sozialberatung und Politik. „Alles was mit Behörden zu tun hat“: Auto, Wohnung, Pflege, Sozialhilfe. Im „Aktionskreis-Der behinderte Mensch in Dortmund“ engagiert er sich nach wie vor in mehreren Arbeitskreisen und droht für die Zeit nach Rentenantritt bereits eine Steigerung an: „Dann bin ich ein freier Bürger dieser Stadt.“
Ausgesondert werden seiner Überzeugung nach nicht nur Behinderte, auch z.B. Wohnungslose gerieten schnell an den Rand der Gesellschaft. Aber trotzdem: „Die Zeiten haben sich geändert.“ Die Gesetze seien besser, die Verweigerung subtiler. Die „Bedrohung Bioethik“ aber nimmt Gusti Steiner sehr ernst: „Ich würde heute abgetrieben.“