Dr. Ilja Seifert
Bundestagsabgeordneter
Auch in der DDR gab es kleine Gruppen von behinderten Menschen, die versuchten innerhalb des Systems Änderungen zu erreichen. Z.B. wurden beim Bau des Palastes der Republik Behinderte miteinbezogen, zwei Barkas-Busse wurden in Berlin als Rollstuhltaxi eingesetzt, ein Behindertenstadtführer erschien. 1990, in der Wendezeit, gründete sich im noch deutlich erkennbaren Ostteil Berlins ein neuer Verband, der seine Identität bis heute bewahrt hat: der ABiD „Allgemeiner Behindertenverband in Deutschland in Selbstbestimmung und Würde“. Präsident wurde Ilja Seifert, ein nach einem Badeunfall als Jugendlicher hoch querschnittgelähmter Literaturhistoriker. Er machte eine politische Blitzkarriere. Nach einem halben Jahr DDR-Volkskammer wurde er in den ersten gesamtdeutschen Bundestag gewählt.
Anfangs galt seine Partei, die PDS, noch als nicht gesellschaftsfähig, da mitverantwortlich für die dunkle Seite der ostdeutschen Vergangenheit, und ihr Abgeordneter im Rollstuhl wurde ebenso geschnitten wie seine nichtbehinderten Genossen. Seifert machte sich schnell einen Namen als Experte, seine ausführlichen und kenntnisreichen Anfragen wurden von der damaligen Regierung allerdings oft verächtlich abgefertigt.
1992 gab es Streit im ABiD um die bekannt gewordene Tätigkeit Seiferts als IM (Informeller Mitarbeiter) bei der Stasi. Der „Überzeugungstäter“ dementierte nicht, wenn er sich im Nachhinein auch für naiv hielt, bestand allerdings darauf, niemanden denunziert zu haben. Er kandidierte nicht mehr als ABiD-Präsident. (Heute ist er Vorsitzender des Berliner Verbandes und stellvertretender Gesamtvorsitzender.) Den Wiedereinzug in den Bundestag verpasste er kurz darauf um einen Listenplatz, vier Jahre später zog er wieder ein.
Ilja Seifert (* 6. 5. 1951) lebt mit seiner Partnerin in Berlin.
Die PDS ist auf Länderebene koalitionsfähig geworden, der oft bis zur Erschöpfung engagierte Seifert und CDU-Vize Schäuble sind immer noch die einzigen Rollstuhlfahrer, eine Liste behinderter Abgeordneter gibt es nicht. Ilja Seifert betrachtet sich als „Interessenvertreter“ behinderter Menschen. Den neuen Gleichstellungsgesetzen gegenüber ist er aus drei Gründen skeptisch: 1. Der Behinderungsbegriff beziehe sich nur auf vermeintliche Defizite der Betroffenen und nicht auf ihre eingeschränkte Teilhabe an der Gesellschaft. 2. Es gebe kein realistisches Klagerecht und 3. keinen Stichtag für Barrierefreiheit.